Der Klimawandel lässt die Arktis schmelzen – und bringt Ökosysteme aus dem Gleichgewicht. Eine umstrittene Methode könnte die Folgen abschwächen
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Keine Region der Welt erwärmt sich so schnell wie die Arktis: In den vergangenen 30 Jahren ist es in dem Gebiet um etwa 0,8 Grad pro Jahrzehnt wärmer geworden – dreimal so viel wie der globale Durchschnitt von 0,23 Grad. Die Auswirkungen gehen dabei weit über die Grenzen der Polarregion hinaus. Die Arktis könnte ein "Ground Zero" für unumkehrbare Kettenreaktionen des Weltklimas werden.
Dass sich die Arktis so stark erwärmt, hängt vor allem mit dem raschen Verlust von Meereis im arktischen Ozean zusammen. Während die weiße Oberfläche von Eis Strahlung stark reflektiert, absorbiert das blaue Meerwasser Wärme stark. Dieser Wechsel von der Reflexion zur Absorption des Sonnenlichts beschleunigt den lokalen Temperaturanstieg und schafft eine gefährliche Rückkopplungsschleife, die den Klimawandel beschleunigt. Die zunehmende Absorption der Sonnenenergie durch die Ozeane beschleunigt auch die langfristige Erwärmung der Ozeane, was die globale Erwärmung wiederum schneller vorantreibt.
Risikofaktor Eisschmelze
Die große Gefahr, die von den hohen Temperaturen in der Arktis ausgeht, besteht darin, dass ein Kipppunkt überschritten ist. Wenn das Eis im Polarsommer immer schneller schmilzt und der Temperaturanstieg sich beschleunigt, geht das Meereis dauerhaft verloren. Das Grönlandeis könnte bald folgen – mit katastrophalen Auswirkungen. Denn würde das gesamte dort vorhandene Eis abschmelzen, könnte der Meeresspiegel um 7,5 Meter ansteigen.
Die rekordverdächtige extreme Erwärmung in der Arktis begünstigt auch Waldbrände und das Auftauen des Permafrostbodens, wodurch wiederum Treibhausgasemissionen freigesetzt werden. Wissenschafter sehen darin einen sehr besorgniserregenden Trend, da in der Arktis auch große Mengen an Methan gespeichert sind, das im Permafrost, in gefrorenen Böden und unter dem Meeresboden des Arktischen Ozeans eingeschlossen ist.
Erwärmungseffekt durch Methan
Die rasche Erwärmung der Arktis führt zu einer Erwärmung und Destabilisierung des Permafrosts. Die zunehmenden Kohlendioxid- (CO2) und Methanemissionen (CH4) aus dem arktischen Permafrost haben dazu geführt, dass dieser von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle geworden ist. Im Jahr 2019 hat die Arktis schon rund 6,3 Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen verursacht. Durch das Auftauen des Permafrosts wurden auch unbestimmte Mengen an Methan freigesetzt, ein Treibhausgas, das einen 140-mal stärkeren Erwärmungseffekt hat als CO2. Methan wird frei, das, auf einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet, pro Molekül die Atmosphäre 300-mal so stark erwärmt wie CO2.
Die Auswirkungen der Erwärmung in der Arktis werden wir vor allem am Anstieg des Meeresspiegels spüren. Viele Experten können zudem nicht ausschließen, dass die rasche Erwärmung und das Schmelzen des Eises in der Arktis zusätzliche Veränderungen in der Funktionsweise unseres Wetters ausgelöst haben, welche die Extremität der jüngsten Wetterereignisse erklären könnten.
Vor dem Kipppunkt
Möglicherweise hat die Welt bereits eine Reihe von Klima-Kipppunkten überschritten, was zu einer ernsten Bedrohung der Zivilisation und einem planetarischen Ausnahmezustand führt. Während das Bekenntnis zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 von entscheidender Bedeutung ist, könnten die politischen Zusagen nicht ausreichen, um die unumkehrbaren und langfristigen Auswirkungen der Klimakrise aufzuhalten.
Um zu verhindern, dass die Arktis kippt, sollte die Netto-Null idealerweise schon früher – etwa 2035 oder 2040 – erreicht werden. Außerdem sollten wir Maßnahmen zur Klimareparatur in Erwägung ziehen, um die Welt von den mit der Eisschmelze verbundenen Kipppunkten wegzuführen. Diese könnten innerhalb von 20 Jahren wirksam umgesetzt werden.
So ein Eingriff könnte das Wiedereinfrieren der Pole und auch des Himalaya sein: In Anbetracht der von den Polen abhängigen globalen Wettermuster ist es nicht akzeptabel, zu warten, bis die erdeigenen Prozesse das Klimagleichgewicht wiederhergestellt haben. Es muss dringend eingegriffen werden, um das bereits stattfindende schnelle Abschmelzen zu stoppen und das Nordpolgebiet während des arktischen Sommers kühler zu halten, damit die Eiszuwächse des Winters nicht jedes Jahr verlorengehen. Die Region muss zu ihrem reflektierenden weißen Zustand zurückkehren, anstatt sich immer weiter in das wärmeabsorbierende Dunkelblau zu verwandeln.
Reflektierende Schutzschicht
Dabei bieten sich verschiedene Optionen des Geoengineerings an. Für die Wiedervereisung der Arktis kommt vor allem das sogenannte Marine Cloud Brightening aufgrund seiner technischen Machbarkeit und seiner Nachahmung natürlicher Prozesse infrage. Die nicht unumstrittene Technik wird derzeit bereits in den arktischen Regionen ausprobiert.
Die Idee ist einfach: Es soll eine reflektierende Schicht über dem Ozean entstehen, die das Sonnenlicht genau so zurückwirft – ähnlich wie es das Eis es getan hat, bevor die steigenden Temperaturen das Meereis verschwinden ließen.
Der einfachste Weg, diese reflektierende Schicht zu erzeugen, besteht darin, winzige Meerwassertröpfchen in die Luft zu sprühen. Natürliche Strömungen heben diese Aerosole dann in größere Höhen, sodass sie die Wolken, die im Polarsommer auf das Arktische Meer zusteuern, aufhellen. Bei dem vorgeschlagenen Verfahren zur Wolkenaufhellung werden die Aerosole von mehreren schwimmenden Pumpen versprüht. Das Verfahren ist zwar gut bekannt und könnte auch in großem Maßstab eingesetzt werden, sagen Befürworter.
Viele sehen solche enormen Eingriffe in natürliche Prozesse aber kritisch, denn großflächige Feldversuche fehlen noch. Die möglichen unbeabsichtigten Auswirkungen müssen noch besser verstanden werden. Doch in einer Welt, die sich bereits um 1,25 Grad erwärmt hat, wird Marine Cloud Brightening ohne Zweifel früher oder später eine entscheidende Bedeutung haben.
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